Reisetagebuch: Ein Tag voller Überraschungen – von Palermo nach Lipari
Nach meinem Aufenthalt in Palermo sollte es noch ein paar Tage auf die schöne Insel Lipari gehen. Die Hauptinsel der Liparische Inseln liegt ca. 50 km vor der nördlichen Küste Siziliens im Tyrrhenischen Meer. Ich freute mich auf eine kleine Seereise mit einem schnittigen Tragflächenboot von Palermo nach Lipari.
Auf der Website der Fährgesellschaft USTICAlines (Anmerkung: heute umbenannt in Liberty Lines) fand ich eine Fährverbindung, die auf direktem Weg Palermo mit Lipari verbindet (Anmerkung: damals noch im Fahrplan). So konnte ich mir eine Zugreise von Palermo zur Hafenstadt Milazzo ersparen, um dann von dort mit der Fähre nach Lipari überzusetzen. Ich war erfreut, ohne Umwege mein Ziel bei einer spritzigen Fahrt über das azurblaue Meer schnell zu erreichen.
Am Abreisetag machte ich mich gegen Mittag auf zur stazione marittima im Hafen von Palermo. Keines der riesengroßen Kreuzfahrtschiffe lag zu dieser Zeit für einen Landgang vor Anker. Das Hafengebäude war menschenleer und machte an diesem Tag einen trostlosen Eindruck. Der Himmel war wolkenverhangen und zeigte sich grau. Nur ein paar streunende Hunde lagen faul herum und dösten vor sich hin. Der Fahrkartenschalter war noch geschlossen. Auch eine Fähre war nicht in Sicht. Mich beschlich das ungute Gefühl, dass aus meiner Überfahrt nichts wurde.
Gott sei Dank, es gab noch jemand, der sich auch für eine Überfahrt interessierte. Ein Mann geisterte ebenfalls wie ich um die biglietteria und studierte Öffnungszeiten und Informationen, die auf einem Zettel gekritzelt provisorisch an der Scheibe klebte. Da sich niemand blicken ließ, hatte er die Idee, die Fährgesellschaft anzurufen. Wie befürchtet, teilte man uns mit, dass wegen mare mosso – zu hohem Wellengang – heute von Palermo kein Tragflächenboot nach Lipari fahren wird. Wir sollten nach Milazzo fahren, um von dort aus überzusetzen. Na prima! Genau das wollte ich mir ersparen!
Also, auf zum Bahnhof und mit dem nächsten Zug nach Milazzo! Da uns beide das gleiche Schicksal traf, setzten wir die Reise gemeinsam in einer deutsch-italienischen Fahrgemeinschaft fort. Zunächst mit einem Taxi. Da die stazione marittima quasi verwaist war, lohnte es sich nicht, hier auf ein Taxi zu warten. Es gab keine zahlenden Touristen von einem Kreuzfahrtschiff, die schnell einen Tagesausflug ins Zentrum von Palermo unternehmen wollten. Also probierten wir es außerhalb des Hafengeländes. Aber weit und breit war so etwas wie ein Taxistand nicht in Sicht. Wir beschlossen über die Via Libertà zur nahe gelegenen Piazza Ruggero Settimo zu gehen, einer der zentralen Plätze Palermos, auf dem das städtische Leben der Palermitaner stattfindet.
Mittlerweile stieg die Temperatur an. Die Sonne brannte gnadenlos zur Mittagszeit. Hinzu kam der Scirocco. Der heiße Wüstenwind aus dem Süden verwandelte die Straßen der Stadt in eine Tropenhaus. In diesem feucht-warmen Klima war es keine Freude mit schwerem Gepäck durch die Straßen zu ziehen. Nirgends war ein Taxi zu sehen. Doch nach einiger Zeit kam uns eines entgegen. Auf direktem Wege über die Via Roma – die Hauptader im Zentrum Palermos – erreichten wir in wenigen Minuten den Bahnhof.
Nachdem wir die Fahrkarten gekauft hatten, blieben noch genau fünf Minuten bis zur Abfahrt des Zuges. Was für ein Timing! Das biglietto kostete uns beide nur 20 Euro für eine Strecke von 170 km! Pünktlich verließ der Zug den Bahnhof und wir ergatterten noch zwei freie Plätze in einem lautstark überfüllten Abteil mit Schülern, die zum pranzo – Mittagessen – nach Hause wollten. Vorbei an dem malerischen Ort Cefalù – von Palermo eine Stunde entfernt – fuhr der Zug entlang der nördlichen Küste Siziliens. Die gesamte Fahrt bis nach Milazzo dauerte rund 2 h 35 min.
Endlich in Milazzo angekommen, wartete die nächste Überraschung auf uns. Völlig verlassen lag der stazione im Hinterland. Wie an einem höchsten Feiertag war alles geschlossen. Die Kulisse hatte etwas von einem Italowestern. Im gleissenden Licht der Sonne Siziliens lag der Bahnhofsvorplatz menschenleer und leergefegt. Nicht ein Taxi wartete auf die ankommenden Zugreisenden, die vielleicht einen Transfer zum Porto benötigten. Laut Fahrplan sollte in einer Dreiviertelstunde ein Bus kommen. Doch wir hatten so unsere Zweifel!
Giro d'Italia 2008 wieder auf Sizilien
Dem Bahnhof gegenüber stand ein einsamer Imbisswagen. Von der Besitzerin erfuhren wir, dass sich hier heute nichts mehr bewegt. Die Gegend um den Hafen sei komplett abgesperrt. Von Catania nach Milazzo verlief die 3. Etappe des Giro d'Italia auf Sizilien. Fantastico! Endlich nach vielen Jahren wieder ein Giro auf Sizilien – und nichts geht mehr! Aber die nette Frau bot an, uns zum Hafen zu fahren. Schnell verstauten wir unser Gepäck im Wagen und los ging's. Doch die Freude war nur von kurzer Dauer. An der ersten Straßenkreuzung hielt uns ein sehr pflichtbewusster Carabiniere an. Er könne uns die Strecke des Giro nicht überqueren lassen. Wir sollten eine andere Straße nehmen. Aber auch dort war eine Absperrung. Im Gegensatz zu seinem Kollegen, drückte der dortige Carabiniere jedoch ein Auge zu und ließ uns schnell die Straße passieren.
Endlich am Hafen angelangt, öffnete auch schon die biglietteria der Fährgesellschaft. Dank der freundlichen Panini-Verkäuferin erwischten wir um 17:00 Uhr das letzte Tragflächenboot des Tages. Überglücklich kamen wir unserem Ziel nun endlich näher. Nach einer 40-minütigen Fahrt mit dem Tragflächenboot erreichten wir zuerst die Insel Vulcano und kurze Zeit später den Hafen Marina Lunga von Lipari. Zu guter Letzt erreichten wir nach einer abenteuerlichen Reise unser Ziel auf Lipari eher, als über die ursprünglich geplante direkte Fährverbindung von Palermo.
Ende gut, alles gut!
Diesen ereignisreichen Tag haben wir mit einem gemütlichen Abendessen in der Trattoria "A Sfiziusa" beendet. Dieses einfache Lokal im Hafen von Marina Corta auf Lipari kann ich wegen seiner inseltypischen Küche und den hervorragenden Fischspezialitäten besonders empfehlen.